Besser fahren mit Predictive Powertrain Control

Reportage

Mit Weitblick.

André Krantzen hat keine Zeit zu verlieren. Er fährt Blumen, und die müssen frisch ankommen. Für Entlastung sorgen die Assistenz- und Sicherheitssysteme seines neuen Actros. Mit dabei: Predictive Powertrain Control (PPC).


Hier wird PPC aktiv: Das System erkennt die Steigung und lässt den Actros über die Kuppe rollen.


Kurz vor dem Kreuz Mönchengladbach verwandelt sich die weiße „12“ rechts unten auf dem Display des Kombiinstruments in ein „E“. „Ganz ehrlich, das überrascht mich immer noch ein bisschen“, sagt André Krantzen. Die Autobahn 61 hier am flachen Niederrhein führt nicht nennenswert bergauf oder bergab – so weit bislang die Überzeugung des Fahrers. Doch genau das signalisiert das weiße „E“: André fährt seinen neuen Actros in leichter Steigung auf eine Kuppe zu. Deshalb wechselt die Schaltautomatik Mercedes PowerShift 3 in den EcoRoll-Modus. Sie lässt den Lkw über die Kuppe rollen und schaltet erst zurück in den zwölften Gang, als die Kuppe bewältigt ist und es wieder sachte abwärts geht.

Möglich macht das Predictive Powertrain Control (PPC). Das Assistenzsystem arbeitet dem klassischen Tempomaten zu, indem es eine an die Topografie angepasste Fahrweise in die Automatisierung integriert. Mithilfe von 3-D-Straßenkarten und GPS-Daten wird kontinuierlich der Steigungsverlauf errechnet. Dadurch „sieht“ das System die Steigungen, Gefälle und auch Senken vor dem Lkw und lässt die Getriebeautomatik reagieren – präziser als ein Fahrer mit bester Ortskenntnis wie André das könnte. Hier heißt das: PPC weiß, dass das Fahrzeug die Kuppe rollend bewältigen kann und verhindert daher, dass Gas gegeben wird – das spart Kraftstoff. „Als so eine Situation das erste Mal kam, dachte ich, da ist was kaputt“, sagt André und lacht, während er den Blinker setzt, um auf die A52 in Richtung Düsseldorf zu wechseln. „Aber ich hab mich schnell an PPC gewöhnt. Es hilft mir, mich noch besser auf den Verkehr zu konzentrieren.“

Der 27-jährige Vater von zwei Töchtern fährt für die Spedition Raeth in Straelen am linken Niederrhein. Wichtigstes Transportgut des Familienbetriebs mit 60 Lkw sind Blumen – Topf- und Jungpflanzen ebenso wie Schnittware. Die Niederlande mit ihren zahllosen Produzenten sind quasi in Rufweite, auch die deutsche Seite der Grenzregion ist eine Gartenbau-Hochburg. In Straelen werden Unmengen an Ware umgeschlagen, bei Deutschlands größter Blumenversteigerung Veiling Rhein-Maas. Insbesondere im Frühjahr, wenn die Gartencenter und Baumärkte Blumen in ihren Prospekten haben, sind bei Raeth die Auftragsbücher zum Bersten gefüllt – und die Touren straff getaktet, die Ware muss schnell und frisch ankommen.

André hat seinen neuen Actros 1842 mit Euro VI heute Mittag um halb eins bei Veiling Rhein-Maas gestartet. Die Spedition hat in dem riesigen Hallen-Komplex ihren eigenen Bereich mit vier Rampen. Dorthin wird die von den Kunden – Groß- und Einzelhändler – ersteigerte Ware gebracht. In Andrés Kühlauflieger stehen 28 Karren auf Rädern – zehn mit Schnittblumen wie Rosen, die übrigen mit Topfpflanzen vom rot-weißen Teppichphlox „Candy Stripes“ bis zum Zierlauch „Allium Gladiator“.


Ruck, zuck ist der Auflieger entladen – bei den Kunden verliert André keine Zeit.


Die Tour mit fünf Etappen ist 320 Kilometer lang. Die erste Station ist ein 62 Kilometer entfernter Gartenbaubetrieb in Düsseldorf. Eine 180-Grad-Kehre führt zur Rampe unter freiem Himmel. Da bietet auch der knorrige Olivenbaum am Wendepunkt nur bedingt Orientierung. Trotzdem bewältigt André das Manöver in wenigen Zügen.

Das Entladen verläuft wie einstudiert. Der Fahrer rollt die ersten vier Karren mit Schnittblumen auf den Hof und klinkt sie wie Eisenbahn-Waggons hintereinander. Ein Angestellter der Gärtnerei steht schon mit seinem Trecker bereit. Nach 20 Minuten ist die Aktion beendet. Und wie kommen wir hier jetzt wieder raus? „Rückwärts!“, lautet Andrés entwaffnend schlagfertige Antwort. Weitere 20 Minuten, und er schert auf die Autobahn ein. Identische Route retour, noch mal Ware holen bei der Versteigerung.

„Wir haben einen festen Stamm an Kunden vor allem in Deutschland und der Schweiz“, erklärt er. „Aber welcher davon an welchem Tag wie viel Ware kriegt, weiß unsere Disposition meistens erst ganz kurz vor der Tour. Das ist ein hektisches Geschäft.“ Da zählt es umso mehr, dass Andrés neuer Actros zu seiner Entlastung alle verfügbaren Sicherheits- und Assistenzsysteme an Bord hat. Etwa den Stabilitätsregel-Assistent, den Abstandshalte-Assistent mit Stop-and-go-Funktion und den Active Brake Assist 3, der auch auf stehende Hindernisse reagieren kann.

Oder PPC – das sich wieder bemerkbar macht, als André auf die Kuppe bei Mönchengladbach zuhält. „Es ist wichtig, dass man aktiv mit dem System arbeitet – das geht ganz einfach über die Tastenblöcke am Multifunktionslenkrad.“ So gilt es, auf die untere Geschwindigkeitstoleranz, untere Hysterese genannt, zu achten. Sie ist eine zentrale Neuerung von PPC und beschreibt die Grenze, bis zu der sich der Lkw gegenüber der Setzgeschwindigkeit verlangsamen lässt. „Der Wert darf nicht zu niedrig sein, sonst wird man bei dichtem Verkehr womöglich zum Hindernis.“

André hat als Setzgeschwindigkeit 80 Kilometer pro Stunde gewählt, als untere Hysterese steht „-6“ auf dem Display. Doch am geringen Anstieg vor der Kuppe wird der Lkw nur ein klein wenig langsamer. Auch im leichten Gefälle nach dem Scheitelpunkt beschleunigt er nicht bis zur oberen Hysterese von „+4“, die der Fahrer eingestellt hat. PPC aktiv zu nutzen heißt darüber hinaus, es bei Bedarf zu deaktivieren – etwa wenn man sich einem Stauende oder einer Baustelle nähert. Beides erkennt das System nicht.


Kaum Platz zum Rangieren – für André und seinen neuen Actros Routine.


Kurz nach 15.00 Uhr setzt André in Straelen rückwärts an die Rampe. Wieder wird der Kühlauflieger voll beladen, und wieder ist Düsseldorf das Ziel. Auf der Autobahn herrscht nun noch dichterer Verkehr als am Vormittag. André hat für den ebenen Boden des L-Fahrerhauses BigSpace einen Belag aus cremefarbenem, gestepptem Kunstleder anfertigen lassen. „Sieht gut aus und lässt sich gut reinigen, ich bin ziemlich penibel“, sagt er und schmunzelt. An den Seitenscheiben sowie zwischen seinem Komfort-Schwingsitz und dem Bett hat er rote Samtvorhänge angebracht. Nein, seinen Arbeitsplatz wolle er nicht mit den Kollegen im Büro tauschen. Zumal er den neuen Actros nicht nur für seinen Wohnkomfort schätzt. „Am besten gefällt mir, dass er eine optimale Straßenlage hat. Und die Fahrdynamik ist einwandfrei.“

Die zweite Abladestelle in Düsseldorf ist wieder eine Gärtnerei und nur eine Straße von der ersten entfernt. Klar, auch hier geht es eng zu. Die kurze Zufahrtstraße ist kaum breiter als der Lkw. Und wie vorhin lädt André nach der Belieferung einige leere Karren in den Auflieger, die morgen in Straelen neu mit Blumen bepackt werden.

Das letzte Ziel für heute ist der Blumengroßmarkt Köln. Hier ist reichlich Platz. Wie in ein geräumiges Parkhaus kann André in den Bau hineinfahren, um nacheinander bei den insgesamt vier Kunden zu stoppen. Der Großmarkt ist jetzt, am frühen Abend, verlassen. „Macht aber nichts, ich hab für alles Schlüssel.“ Den Großteil der Ware rollt André in temperierte Bereiche. Auf einem Karren mit prächtigen Orchideen und Anthurien prangt dagegen in DIN-A4-Größe: nicht ins Kühlhaus!

„Blumen sind schon speziell. Es gibt jede Menge unterschiedliche Arten und Sorten, für die teils auch unterschiedliche Transportbedingungen gelten“, sagt André, als er die letzten 95 Kilometer des Tages zurück nach Straelen in Angriff nimmt. „Weil ich meistens mehrere Sorten im Auflieger hab, muss ich die Kühlung auf eine Temperatur einstellen, die alle vertragen.“ Ab und zu bringt er seiner Frau ein paar Pflanzen fürs eigene Gärtchen mit, erzählt er. Er kenne viele seiner Kunden gut, bei manchem bekomme man ab und zu etwas für ein paar Euro in die Kaffeekasse. „Ich hab auch mal versucht, selbst Geranien zu ziehen, aber naja, das hat nicht geklappt.“ Statt Blumen pflanzen also lieber weiterhin Blumen fahren – darin macht ihm keiner etwas vor.

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