Agnes Casenave, die Frau mit dem Actros-Tattoo

Er ist ein echter Hingucker: der Actros, mit dem Agnes zum Truckerfest rund um das Rennen „24 Heures Camion“ im französischen Le Mans gereist ist. Die Zugmaschine trägt grossflächige Airbrush-Malereien zum Thema Mercedes-AMG Petronas Motorsport. An der Front prangt einer der legendären „Silberpfeile“ des Formel-1-Teams.

Truck-Tattoo auf dem Bein.

Der aussergewöhnliche Truck gehört zwar einem Kollegen beim gemeinsamen Arbeitgeber BFT Transport in Lyon. Doch auch Agnes ist fasziniert von verzierten Lkw – so sehr, dass sie sich vor gut zwei Jahren einen aufs Bein stechen liess. Was man fast als Beschwörung des Schicksals ansehen könnte: Ihr Tattoo-Motiv ist ein Truck aus der Flotte von BFT Transport, wo sie nur wenige Wochen nach dem Termin beim Tätowierer ihren bis heute gültigen Arbeitsvertrag unterschrieb.

Im Alltag fährt Agnes seit kurzem einen perlweissen Actros 1863. „Er ist einfach wunderschön“, sagt sie voller Begeisterung. Ihre Aufgabe: Container von Marsailles Hafen Fos-sur-Mer nach Lyon zu fahren. Ab und an transportiert sie Auflieger eines französischen Herstellers zu dessen Kunden.

Zuvor war Agnes meist im regionalen Stückgutverkehr unterwegs und musste bei ihren Stopps Paletten selbst ein- und ausladen. Heute muss sie nur noch beim Auf- und Absatteln der Auflieger Hand anlegen. „Als ich das erste Mal mit einem Container in den Hafen kam, wollte ich ihn selbst abladen. Da haben mich die Docker ausgelacht und in meinen Lkw zurückgeschickt“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

Ganz neues Verhältnis zur Strasse.

Mit dem Wechsel in den Fernverkehr im Alter von 48 Jahren hat sich neben Agnes’ Job auch ihr Verhältnis zur Strasse und zum Fahren an sich geändert. Das Flüstern des Motors, das Summen der Reifen auf dem Asphalt: für Agnes ist das die Musik der Strasse – eine Musik, die sie liebt. „Ich schalte meist nicht einmal das Radio ein.“

Kurz: Agnes wollte endlich so richtig raus auf die Strasse – und weiss heute: „Ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Ich werde so lange hinter dem Lenkrad sitzen, wie ich kann. Das ist meine Welt und meine Leidenschaft.“ Der Actros ist ihre Burg, in der sie lebt, arbeitet, isst, schläft.

„Wenn ich am Steuer meines Actros sitze, brauche ich nichts und niemanden“, sagt Agnes. Trotzdem tauscht sie sich ab und zu gern aus. Deshalb gehört sie dem Verein „La Route au féminin“ an, in dem sich gut 500 Berufskraftfahrerinnen zusammengeschlossen haben. Man kennt sich – und man kennt die Fahrzeuge der Kolleginnen. „Wenn wir uns unterwegs begegnen, geben wir uns immer ein Handzeichen.“

Fotos: Alex Kraus