Die Turbo-Retarder-Kupplung im Arocs 5-Achser

Fahrzeug & Technik

Tief runter, hoch hinauf.

Mustafa-Kerim Aktas fährt einen Arocs 4463, ausgestattet mit einer Turbo-Retarder-Kupplung – bei seinen täglichen Touren durch die Kiesgrube eine grosse Hilfe.


Endlich, irgendwann in der Nacht, hat der Regen über Basel aufgehört. Die Löcher in der Strasse auf dem Weg zur Kiesgrube stehen noch immer randvoll mit Wasser. Mustafa-Kerim Aktas stellt den Fahrmodus seines Arocs 4463 auf offroad. „Gut, dass ihr schon Fotos vom Lkw gemacht habt, gleich wird er nämlich dreckig“, sagt der 21-Jährige und grinst. Denn jetzt geht es steil bergab zum Grubengrund, wo ein Radlader den Lkw beladen wird.

Mustafas Arocs ist als Fünfachser ausgelegt. „Die sieht man hier oft“, sagt er und meint die Nachlaufachse. Der Grund dafür ist eine gesetzliche Regelung der Schweiz: Bei 5-Achs-Kippern ist in der Alpenrepublik ein Fahrzeuggesamtgewicht von 40 Tonnen erlaubt. „In den zwei Monaten, die ich den Arocs fahre, habe ich schon mehr als 10 000 Kilometer zurückgelegt.
Und fast jede Tour erreicht die 40 Tonnen Gesamtgewicht“, so Mustafa.



Probleme bereitet das hohe Gewicht in Verbindung mit dem anspruchsvollen Terrain der Kiesgruben nicht. „Mir macht das Fahren Spass. Aufpassen muss man nur, wenn der Lkw leer ist und die Räder verschlammt sind, dann kann es rutschig werden.“ Aber leer fährt Mustafa ohnehin selten aus der Kiesgrube heraus.

Unten angekommen beginnt ein Radlader sofort, Wandkies – ein unsortiertes Sand-Stein-Gemisch – in die Mulde zu schaufeln. Die Ladung transportiert Mustafa zu einem Steinbrecher, der daraus Kies für die Baustellen hier in der Region Basel gewinnt. Den Berg, den Mustafa eben so souverän heruntergefahren ist, muss er nun wieder voll beladen hinauf.

Die Steigung beginnt ansatzlos. Der 10×4/6-Kipper arbeitet sich souverän den Schotterweg hinauf. Dank Turbo-Retarder-Kupplung steht die volle Kraft des Arocs schon bei niedrigen Drehzahlen zur Verfügung. Beim Rangieren in der Grube oder eben beim Anfahren am Berg wird die Kraft mühelos auf den Untergrund übertragen. Noch bevor Mustafa oben angekommen ist, kommt ihm ein anderer Kipper entgegen – er muss anhalten und den Kollegen vorbeifahren lassen. „Das macht nichts. Ich komme hier trotzdem hoch.“ Mustafa wird langsamer, bleibt leicht mit dem Fuss auf dem Gaspedal und kommt am Berg zum Stehen. Er hält den Lkw jetzt mit dem Gaspedal. Die Betriebsbremse muss er dafür nicht nutzen. Kaum ist die Strasse wieder frei, drückt Mustafa wieder etwas stärker aufs Gaspedal, und der Arocs setzt sich in Bewegung. Stetig zieht der 6-Zylinder-Reihenmotor mit 460 kW und 3 000 Nm Drehmoment den Kipper die Steigung hinauf. „Ich kann am Berg mit dem Gas so balancieren, dass der Lkw steht und dann auch noch verschleissfrei wieder anfahren. Mit einer normalen Kupplung ist das undenkbar.“

Der Weg zum Steinbrecher führt Mustafa durch den dicht bebauten Speckgürtel von Basel. Viel Verkehr, viele Kreisel und viele Ausfahrten liegen vor ihm – er muss sich konzentrieren, um den Überblick zu behalten. Die richtige Ausfahrt ist schnell mal verpasst, das kostet wertvolle Zeit. „Hier zu fahren ist schwieriger als in der Grube“, sagt er. Die lenkbare Nachlaufachse ist jetzt, wenn der Lkw beladen ist, heruntergelassen. Sie reduziert den Wendekreis auf 19,6 Meter und macht den Arocs noch handlicher.


Der Bagger schaufelt 23 Tonnen Gestein in die Mulde des Arocs Kipper.
Der Bagger schaufelt 23 Tonnen Gestein in die Mulde des Arocs Kipper.
Abfahrtkontrolle: Fast jede Tour geht an die 40-Tonnen-Grenze.
Abfahrtkontrolle: Fast jede Tour geht an die 40-Tonnen-Grenze.
Voll ausgeladen auf schwierigem Untergrund – dank Turbo-Retarder-Kupplung kein Problem.
Voll ausgeladen auf schwierigem Untergrund – dank Turbo-Retarder-Kupplung kein Problem.
Abladen am Steinbrecher. Hier wird der Wandkies weiterverarbeitet.
Abladen am Steinbrecher. Hier wird der Wandkies weiterverarbeitet.

Seit November 2014 sitzt Mustafa regelmässig hinterm Lenkrad, zuvor arbeitete er in der Werkstatt der Aktas GmbH. „Lkw waren schon immer mein Ding.“

Die Schweizer Wirtschaft ist stark aufgestellt, das Land fordert jedoch auch viel von den Unternehmen der Transportbranche. „Nicht nur Autobahnen, auch Landstrassen sind in der Schweiz mautpflichtig. Mit Euro VI-Fahrzeugen wie dem Arocs profitieren wir von einem günstigeren Mautsatz“, sagt Serkan Aktas, Mustafas Bruder und Geschäftsführer der Aktas GmbH. „Wir zahlen für jeden gefahrenen Kilometer, ganz gleich, wo wir unterwegs sind“, ergänzt er.

Sein Vater startete 1982 mit einem einzigen Lkw. Heute fahren 22 Trucks für das Unternehmen. Fast alle sind von Mercedes-Benz. Die Kipper sind meistens für die Kies- und Betonwerke der Meyer-Spinnler AG unterwegs, deshalb auch das gelbe Firmenbranding auf den grünen Trucks. „Unsere Fahrzeuge müssen sehr robust sein. Sie sind vielfältig im Einsatz, in der Kiesgrube, auf der Strasse und auf Baustellen“, so Serkan Aktas.


Der Arocs im Stadtverkehr: Die lenkbare Nachlaufachse macht den Kipper noch wendiger.


Er ist der Rechner unter den beiden Brüdern. Während einer Mercedes-Benz Kundenveranstaltung hat er die Turbo-Retarder-Kupplung das erste Mal getestet. „Eine verschleissfreie Kupplung in einem Betrieb wie unserem – das hat mich von Anfang an überzeugt. Die Technik ist wie massgeschneidert für die Fahrsituationen, in denen wir regelmässig unterwegs sind.“ Mustafa nickt: „Ich habe ja meine Ausbildung in einer Werkstatt gemacht und weiss, was es bedeutet, wenn ein Fahrzeug ausfällt, gerade wenn die Kupplung kaputt ist. Mit der Turbo-Retarder-Kupplung muss ich mir da überhaupt keine Gedanken machen.“

Wieder auf der Strasse: Mustafa konzentriert sich, um den Überblick in dem engen Industriegebiet zu behalten. „Trotz seiner Handlichkeit ist dieser Arocs ein Riese. Ich habe ihn selbst konfiguriert“, sagt Mustafa. „Er hat das 2,3 Meter breite L-Fahrerhaus. Für meine Tagestouren ist das der volle Komfort.“ Um eine höhere Nutzlast zu erzielen, sind Leichtmetallfelgen montiert.



Das Kieswerk ist erreicht. Hier geht es wieder einmal steil bergab, und Mustafa kann ein weiteres Highlight seines Trucks zeigen. „Selbst an so einem Gefälle und mit 40 Tonnen Gesamtgewicht kann ich mich voll auf den Arocs verlassen.“ Das Zusammenspiel aus Turbo-Retarder-Kupplung und High Performance Engine Brake leistet bis zu 720 kW Bremsleistung. „Die Betriebsbremse brauche ich fast gar nicht mehr.“ Kontrolliert steuert er den Arocs hinunter in die Grube.

Die nächste Tour führt ihn zu einer Baustelle im Stadtgebiet. Also wieder voll ausgeladen durch die Grube, einen steilen Berg hinauf und hinunter, dann in den Verkehr durch Basels Speckgürtel. „Wie gesagt: Es macht mir Spass“, sagt Mustafa, schaut in den Seitenspiegel und fährt los. 

Fotos: Alex Kraus
Video: Martin Schneider-Lau



Verschleissfrei anfahren, unbegrenzt rangieren.

Feinfühliges, verschleissfreies Anfahren und unbegrenztes Rangieren bei niedrigsten Geschwindigkeiten, ohne dabei die Kupplung zu überhitzen – das erlaubt die Turbo-Retarder-Kupplung für Actros und Arocs. Dabei wird die volle Anfahrkraft von bis zu 3.000 Nm bereits ab einer Drehzahl von 1.100 U/min zur Verfügung gestellt. Kernstück der Lösung ist die Kombination von Trockenkupplung und Turbo-Retarder-Kupplung. Letztere arbeitet beim Bremsen als Primärretarder – das schont die Bremsbeläge.


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