Unterwegs mit Arto Simola im Actros „Lowrider“

Reportage

Traumgrenze.

Finnland ist bekannt für seine Seen, Wälder und spektakuläre Truckveredelungen. Unterwegs mit Arto Simola im Actros „Lowrider“.

6.000 Arbeitsstunden stecken im Actros Lowrider.


Finnische Winter sind lang und dunkel. Gut, wenn man da neben dem Saunieren noch ein weiteres Hobby hat, das auch drinnen gut funktioniert. „Besser noch, wenn man es zusammen mit seinem Chef und einem Dutzend verrückter Gleichgesinnter pflegen kann“, sagt Arto Simola. Der Fahrer sitzt seit knapp drei Jahren für Kuljetus Auvinen hinter dem Steuer. Sein Arbeitsplatz: ein Fahrertraum in Violett. „Wir haben in mehr als 6 000 Arbeitsstunden einen Actros 2663 Sattelzug mit zwei Siloaufliegern zu einem echten ‚Lowrider‘ umgebaut“, sagt Arto. „Der Clou: Mit dem Schmuckstück fahren wir nicht nur von Show zu Show – wir verdienen damit auch unsere Brötchen.“



Kuljetus Auvinen ist seit 1953 im Speditionsgeschäft. Das Familienunternehmen aus Helsinki ist spezialisiert auf Silotransporte. Geschäftsführer Mika Auvinen, der auch selbst oft im Fahrerhaus sitzt, ist nicht nur als Garant zuverlässiger Transportdienstleistungen, sondern auch für seine Showtruck-Leidenschaft über die Grenzen Finnlands hinaus bekannt.

2014 war sein grüner Actros „Highway Hero“ einer der Besuchermagnete auf der IAA Nutzfahrzeuge. Der Lowrider ist Auvinens neuester Streich. Der harte Kern seines Showtruck-Teams besteht aus rund einem Dutzend begeisterter Mitglieder, zu dem auch Arto gehört.


Frühaufsteher: Oft beginnen Artos Arbeitstage bereits früh um drei.
Frühaufsteher: Oft beginnen Artos Arbeitstage bereits früh um drei.

„Die Leute zücken überall ihre Handys, knipsen und grinsen.“

Arto Simola, Fahrer



Showtruck und Arbeitspferd.

Mit dem violetten 76-Tonnen-Blickfang geht es für den 37-Jährigen an diesem kalten Herbstmorgen nach Strömsby, eine gute Autostunde westlich der finnischen Hauptstadt. „So eine Tour wie heute ist echt angenehm“, erklärt Arto. „Wir beladen dort die beiden Siloauflieger mit Zement. Abgeladen wird im Betonwerk in Espoo. Das ist nur knapp 30 Minuten entfernt. Auch wenn ich die Tour mehrmals am Tag fahre, bin ich abends zu Hause und muss morgens nicht so früh aus den Federn. Das ist echt Luxus pur!“

Nicht selten holt Arto Zement aus weiter entfernten Werken. Dann sattelt er oft bereits um drei Uhr morgens die Hühner, um den Lowrider pünktlich unter das Zementsilo zu rangieren. Damit sein Gespann auch unter jede Vorrichtung zur Loseverladung passt, kann er es – ganz so wie die US-amerikanischen Vorbilder – per Pneumatik um bis zu zehn Zentimeter absenken. „Uns war beim Umbau besonders wichtig, dass der Truck nicht nur absolut einzigartig ausschaut, sondern auch in jeder Alltagssituation praxistauglich bleibt – auch wenn er auf den ersten Blick nicht so aussieht“, erklärt Arto.


Zu den angenehmen Pflichten des Fahreralltags gehört für ihn auch die Teilnahme an Showtruck-Festivals. „Es ist ganz gleich, wann und wo ich mit dem Gespann auftauche: Die Leute zücken überall ihre Handys, knipsen und grinsen“, sagt Arto stolz.

Dass sein neues Arbeitsgerät beim Publikum einschlagen würde wie ein Bombe, damit haben er und das Team nicht gerechnet. Zuerst gewann der Lowrider auf der internationalen Power Truck Show im finnischen Alahärmä den Publikumspreis „Best in Show“. Kurz darauf holte er den Titel bei der Nordic Trophy 2017, die im Rahmen des Trailer Trucking Festival in der Nähe von Linköping, etwa auf halber Strecke zwischen Göteborg und Stockholm, ausgetragen wurde. Insgesamt ist es die siebte Auszeichnung für die Mannschaft von Mika Auvinen.


Ein besonderes Privileg.

„Es ist eine riesengroße Ehre, für Mika zu fahren“, sagt der Vater eines zweijährigen Sohnes. „Wir sind beide mit Leib und Seele Trucker und teilen die große Leidenschaft für Showtrucks. Wenn wir auf Festivals unterwegs sind, dann kommen bei uns jeden Tag Hunderte Fahrer vorbei, die gern meinen Job hätten.“

„Ich selbst habe mich hauptsächlich um die Elektrik des Sattelzugs gekümmert“, erklärt Arto. „Das allein waren schon rund 1 300 Arbeitsstunden. Wenn ich den goldenen Startknopf drücke, dann fühle ich jedes Mal: Die Mühe hat sich gelohnt.“ Sämtliche Motive, Farben und Modifikationen des Actros Lowrider wurden im Team einzeln abgestimmt. Auf den Truck bannte sie der Airbrush-Künstler Perttu Papunen in rund 2 500 Arbeitsstunden. Umgebaut wurde der Lowrider in den Werkhallen der Edelstahlschmiede HIO-MEX in Tuusula, etwa 30 Kilometer nördlich von Helsinki. Seit 1979 hat sich die Firma zu einem der größten Fahrzeugzubehörlieferanten in Finnland entwickelt.



Das Unternehmen ist spezialisiert auf Anbauten aus hochwertigem Stahl – und davon gibt’s am Lowrider jede Menge zu bewundern. Durch eine spezielle elektrolytische Politur besitzt das verwendete Material eine sehr glatte Oberflächenstruktur, an der wenig Schmutz haften bleibt. Sie ermöglicht auch bei miesem Wetter einen glänzenden Auftritt.

Von der Idee zum Lowrider bis zur ersten Probefahrt verging knapp ein Jahr. „Als wir begannen, gab es allerdings keinen exakten Plan, nur eine vage Vorstellung vom Truck. Alles andere ergab sich dann, jeder im Team brachte seine Kreativität mit ein“, erklärt Arto. Geschätzt stecken rund 450 000 Euro Materialkosten im violetten Fahrertraum aus Helsinki. „So ganz genau hat das wahrscheinlich niemand im Blick. Der Unterschied zwischen Jungs und Männern ist der Preis des Spielzeugs“, schmunzelt Arto. Viel wertvoller ist für ihn allerdings das Privileg, einen der vermutlich außergewöhnlichsten und schönsten Fahrerarbeitsplätze der Welt zu haben. Und den gibt er nicht mehr her.


Fotos: Sebastian Vollmert
Video: Alexander Tempel

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