Praxistest: Anfahrhilfe Hydraulic Auxiliary Drive (HAD)

Fahrzeug & Technik

Bodenständig.

Die Anfahrhilfe Hydraulic Auxiliary Drive (HAD) bietet bei Bedarf zusätzliche Traktion – und fällt bei langen Fahrten kaum ins Gewicht. Die Karl Fischer GmbH, bei der über 20 Arocs im Einsatz sind, hat das neue System bereits getestet.

Volle Zugkraft. Andere Produkte am Markt sind am Getriebe angebracht. Nicht so bei HAD: Durch die Lage der Hochdruckpumpe am Nebenantrieb des Motors steht auch beim Schalten die volle Zugkraft zur Verfügung.
Volle Zugkraft. Andere Produkte am Markt sind am Getriebe angebracht. Nicht so bei HAD: Durch die Lage der Hochdruckpumpe am Nebenantrieb des Motors steht auch beim Schalten die volle Zugkraft zur Verfügung.
Einfache Bedienung. Bei Bedarf wird HAD mittels Schalter aktiviert, gesteuert wird das System durch die Fahrzeugelektronik.
Einfache Bedienung. Bei Bedarf wird HAD mittels Schalter aktiviert, gesteuert wird das System durch die Fahrzeugelektronik.
Klare Sache. In den Achsschenkel verlegte Hydraulikleitungen sichern eine 
hohe Lebensdauer.
Klare Sache. In den Achsschenkel verlegte Hydraulikleitungen sichern eine hohe Lebensdauer.

Dieser Morgen ist einer, den man möglichst schnell hinter sich bringen will. Wie ein grauer Schleier legt sich der Regen über das Schotterwerk in Erkenbrechtsweiler in der Schwäbischen Alb. Seit Stunden geht das so, ein Ende ist nicht in Sicht.

Und jetzt auch noch das. Um einem entgegenkommenden Dumper Platz machen zu können, muss Bernd Schweizer mit seinem Arocs 1848 auf den schlammigen Wegesrand an einer Steigung ausweichen. Sorgenvoll schaut er auf die vom Regen aufgeweichte Piste vor ihm, während die riesigen Reifen des haushohen Kippers an seinem Fenster vorbeirollen. Ob die Reifen auf der Schlammpiste die Traktion behalten? „Jetzt kann das System zeigen, was in ihm steckt“, sagt der 54-Jährige. Als er Gas gibt, leuchtet im Display ein blaues Symbol auf – das Zeichen für den Hydraulic Auxiliary Drive (HAD).

Bei der Einfahrt in das Schotterwerk hat er das System über einen Schalter im Armaturenbrett aktiviert. Mit bis zu 450 Bar leitet die am Motor angebrachte Hochdruckpumpe jetzt den Druck an die Radnabenmotoren der Vorderachse weiter. Hier presst der Druck Zylinderkolben nach außen, die wiederum den Nockenring antreiben. So entstehen pro Rad bis zu 40 kW zusätzliche Antriebsenergie.

Bernd bekommt von alledem nichts mit. Er merkt nur eines: Jetzt beteiligt sich auch die Vorderachse an der Antriebsarbeit. Das sorgt für zusätzliche Traktion. Und so schafft es Bernd mühelos die Steigung hinauf.


„Echt beeindruckend, was so ein Schalter ausmachen kann!“, sagt Schweizer. Dem kann sein Chef Joachim Schmid, Geschäftsführer der Karl Fischer GmbH, nur zustimmen. Sein Unternehmen war das Erste, das im Rahmen der Kundenerprobung das neue System auf Herz und Nieren getestet hat.

Die rund 100 Lkw von Fischer kommen vorrangig im Schüttguttransport zum Einsatz. „Wir laden zum Beispiel Gestein aus den Schotterwerken in der Schwäbischen Alb. Da können wir auf den oftmals schlammigen und steilen Zufahrtswegen das Plus an Traktion sehr gut gebrauchen“, sagt Schmid.

Die durchschnittlich 100 Kilometer bis zur Entladestation führen meistens über gut ausgebaute Landstraßen oder auch Autobahnen. Deshalb benötigt Fischer einen optimalen Antriebsstrang mit Mercedes PowerShift 3 und maximale Nutzlast.



Als die Daimler-Entwicklungsingenieure anfragten, ob Schmid den neuen, hydrodynamischen Vorderradantrieb testen wolle, zögerte er keine Sekunde. „Der ist wie für uns gemacht!“ Denn der Hydraulic Auxiliary Drive verbindet die Vorteile eines Allrads mit denen eines klassischen Antriebs. Als zusätzliche Traktionsunterstützung bringt HAD genau so viel zusätzliche Leistung an die gelenkte Vorderachse, wie notwendig ist – möglich sind bis zu 40 kW pro Rad. HAD unterstützt die Traktion bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde. Der Fahrer betätigt lediglich einen Schalter im Armaturenbrett, um das System zu aktivieren. „Wichtig ist aber auch, dass er über das Gaspedal Einfluss nimmt. Denn nur so weiß das System, wie viel Traktion benötigt wird“, so HAD-Entwicklungs-Projektleiter Detlef Schnitzer. Der Daimler-Ingenieur und das Team der Kundenerprobung stehen während des Testlaufs in engem Kontakt zur Firma Fischer. „Wir erhalten dadurch wichtige Rückmeldungen aus der Praxis.“

Etwa darüber, wie die Hydraulikpumpe, das Herzstück des neuen Systems, unter Extrembedingungen arbeitet. Die Pumpe ist eine der Besonderheiten des HAD. Denn im Gegensatz zu anderen Produkten am Markt ist sie nicht am Getriebe, sondern am Nebenantrieb des Motors angebracht. „So bleibt beim Schalten die volle Zugkraft des HAD erhalten. Außerdem ist am Getriebe dann noch Platz für einen Retarder“, sagt Schnitzer.

Ein weiterer Vorteil: HAD ist 350 Kilogramm leichter als der zuschaltbare und 500 Kilogramm leichter als der permanente Allradantrieb. Zudem gibt es keine mitlaufende Antriebsachse, die den Kraftstoffverbrauch erhöht. Bis zu acht Prozent weniger im Vergleich zu den Allradvarianten sind möglich. „Unsere Fahrzeuge legen pro Jahr im Schnitt rund 100 000 Kilometer zurück. Da ist jeder Liter, den wir beim Verbrauch sparen können, Gold wert“, sagt Schmid. Der Fischer-Geschäftsführer war immer schon ein echter Arocs-Fan. „Seine Kraft, Robustheit und Effizienz machen ihn zum perfekten Fahrzeug für unsere Aufgaben“, sagt er. Allein in diesem Jahr hat er 19 neue Arocs gekauft. Bislang verfügen alle Modelle über den zuschaltbaren Allradantrieb. „Aber in Zukunft wird definitiv der ein oder andere mit HAD-Antrieb dabei sein.“


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HAD – die Pluspunkte.

HAD eignet sich für alle, die kurzzeitig maximale Traktion benötigen, aber auf eine hohe Nutzlast und einen optimalen Antriebsstrang nicht verzichten wollen. Zum Beispiel bei Kippsattelzügen, Holztransportern oder Schneepflügen. HAD ist verfügbar für den OM 470 und den OM 471 im Actros, Arocs und Antos.

  • Die Lage der Hochdruckpumpe am Nebenantrieb hat den Vorteil, dass auch während des Schaltens die volle Zugkraft zur Verfügung steht. Zudem bleibt am Getriebe Platz für einen Retarder. In Verbindung mit dem OM 471 ist HAD auch mit Nebenantrieb verfügbar.
  • Hydraulik-Drehverteiler im Achsschenkel schützen vor Verdrehungen der Hydraulikschläuche beim Lenken und sichern die hohe Lebensdauer.
  • Die seitlich angeordnete Kühlanlage sorgt mit ihrer Leistung von 20 kW dafür, dass der HAD bis Tempo 25 auch über längere Zeit zur Verfügung steht. Der Ölfilter muss erst nach rund 600 000 Kilometern gewechselt werden.
  • Durch den Gewichtsvorteil von 350 beziehungsweise 500 Kilogramm gegenüber zuschaltbarem und permanentem Allradantrieb erhöht sich die Nutzlast. Außerdem sinkt der Kraftstoffverbrauch.
  • Verfügbar mit Mercedes PowerShift 3.

Fotos: Matthias Aletsee


Schlank auf die Straße. Mit HAD sind bis zu acht Prozent Kraftstoffeinsparung gegenüber den anderen Allradvarianten möglich. So kann sich die Investition in die zuschaltbare Anfahrhilfe schon nach rund zwei Jahren amortisieren.

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