Harald Seifert über Firmentraditionen und die Logistik der Zukunft

Wirtschaft & Logistik

„Einen Millimeter anders“.

Seit 70 Jahren ist die Familie Seifert in der Logistik aktiv. Anlass für „Mercedes-Benz Transport“, Firmenchef Harald Seifert zu fragen, was aus der Vergangenheit heute im Zeitalter der Digitalisierung noch wichtig ist.

Gewachsenes Vertrauen. Das Gros der Seifert-Lkw trägt den Stern.


Herr Seifert, Ihr Unternehmen feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Lassen Sie uns trotzdem erst einmal nach vorn schauen: Welcher Trend ist heute am wichtigsten für Transport- und Logistikdienstleister?

Ganz vorn steht für mich die Digitalisierung. Einerseits ist sie ein Megatrend, der den E-Commerce und die Automatisierung der Industrieproduktion anheizt und damit der gesamten Wirtschaft, also auch unserer Branche, wichtige Impulse gibt. Andererseits hat jeder Logistiker dank Digitalisierung selbst die Chance, Effizienzgewinne zu erzielen. Die Seifert Logistics Group ist zurzeit dabei, Papier flächendeckend aus dem Geschäft zu verbannen und alle Prozesse in IT-gestützten Workflows abzubilden. Das hat gleich mehrere Vorteile: Die Fehlerquote sinkt, alle Informationen stehen uns und den Kunden jederzeit zur Verfügung, und am Ende können wir die Rechnung schneller schreiben und uns früher auf neue Projekte konzentrieren.


„Mercedes war technisch und vom Businesscase her immer an der Spitze!“

Harald Seifert, Geschäftsführer Seifert Logistics Group


Welche Trends sind neben der Digitalisierung wichtig?

Der 3-D-Druck bietet Möglichkeiten. Die Teileproduktion könnte durch diese innovative Form der Fertigung künftig auch an Logistiker outgesourct werden. Das finde ich interessant. Das Autonome Fahren halte ich ebenfalls für ein wichtiges Zukunftsthema. Mercedes-Benz Trucks hat bewiesen, dass Platooning von Lkw-Kolonnen eine viel effizientere Nutzung der Straßeninfrastruktur möglich macht, als sie heute gang und gäbe ist. Schließlich ist mir mit Blick auf die nachfolgenden Generationen Nachhaltigkeit wichtig. Das belegt unsere Teilnahme am Efficiency Run II von Mercedes-Benz Trucks. Darüber hinaus gewinnen wir Strom für unsere Logistik-Hubs aus Fotovoltaikanlagen und testen Gabelstapler mit Brennstoffzellenantrieb.


Bei Seifert werden Mitarbeiter nach ihren Möglichkeiten gefördert – hier eine Mitarbeiterin in der Kontraktlogistik.


70 Jahre Seifert – was ist die DNA Ihres Unternehmens?

Dazu gehören eine Menge Elemente. Vielleicht kann man es so auf den Punkt bringen: Wir sind ein bisschen anders als andere Unternehmen. Ich sage immer, einen Millimeter anders, weil ich beim Druck der allerersten von mir verantworteten Firmenbroschüre eine Ösenheftung gewählt habe, sodass die Seifert-Broschüre immer einen Millimeter herauslugte aus dem Ordner mit den Transportdienstleistern der Kunden. So sind sie immer sofort auf uns aufmerksam geworden. Ich möchte, dass der Kunde bei uns immer eine um einen Millimeter bessere Dienstleistung erhält – mindestens! Dann spürt er den Seifert-Spirit und seinen wirtschaftlichen Vorteil. Anders zu sein ist für mich also kein Werbegag. Da geht es um Extraengagement für die Kunden, um Offenheit gegenüber Innovationen, um harte Arbeit. Außerdem muss man eine Nase haben für die richtige Entscheidung und die richtigen Leute und ein offenes Ohr für die Kunden. Das alles wird bei uns jeden Tag aufs Neue gelebt. Bei alledem kommt es uns natürlich zugute, dass wir trotz unserer relativen Größe ein Familienunternehmen sind mit klaren, schlanken Strukturen und kurzen Entscheidungswegen.


Sie haben mittlerweile 1.600 Mitarbeiter – ticken die alle so wie Sie?

Natürlich nicht zu 100 Prozent, aber jeder im Unternehmen weiß, was von ihm verlangt wird: Leidenschaft, Kundenorientierung, Partnerschaft und vor allem die Bereitschaft zu lernen, wo es nötig ist. Wir haben eine Schulungs-App und testen zum Beispiel in der Kontraktlogistik jeden Mitarbeiter, sodass wir wissen, wer welche Aufstiegschancen bekommen sollte. Ich bin hier nur der Navigator, dahinter steht ein tolles Team, das die enormen Erfolge der vergangenen Jahre gemeinsam erreicht hat. Die Seifert-Mitarbeiter arbeiten hart, aber dafür sind sie bei einem guten Arbeitgeber beschäftigt, der pünktlich zahlt, der konsequent weiterbildet und der fähigen Leuten schnell Verantwortung gibt. Es kann durchaus sein, dass ein Mitarbeiter bei uns schon mit Ende 20 Prokura hat.

Wie regelt man als Familienunternehmen die Nachfolge vernünftig?

Ich finde, es gehört zur unternehmerischen Verantwortung, klare Regelungen zu treffen, damit Kunden und Mitarbeiter wissen, woran sie sind. Das Wichtigste ist die Verabschiedung einer Familien-Governance, welche die Interessen des Unternehmens klar trennt von eventuellen Privatinteressen der Familie oder Teilen der Familie. Ich bin jetzt 61, und mir geht es darum, dass das Unternehmen 100 Prozent professionell weitergeführt wird, wenn ich mal nicht mehr an der Spitze stehe. Dafür benötigt man ein tolles Führungsteam, das den rechten Spirit mitbringt, und potenzielle Nachfolger. Meine beiden Söhne Julian und Tim studieren zwar noch, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie mittelfristig tragende Rollen in der Firma übernehmen.


Sie wirken wahnsinnig gut gelaunt und frisch für Ihr Alter. Was ist Ihr persönliches Erfolgsrezept?

Danke für das Kompliment! Ich bin ein Workaholic, der die Arbeit liebt. Viel Arbeit hat mich nie gestresst, mir geht es gut damit. Ich schaue immer nach vorn und jammere nie. Vergangenes ist vergangen. Wenn es heute schwierig ist, dann sehe ich das als Herausforderung, das Beste aus der Situation zu machen, und ich meine wirklich: das Beste für meine Kunden. Im Grunde genommen freue ich mich über Schwierigkeiten, denn dann können wir uns bei Seifert mit unserem besonderen Spirit umso deutlicher beweisen.

Was ist aus der Vergangenheit heute noch wichtig?

Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Mein Vater hat mich komplett machen lassen und sich gehütet, mich zu sehr zu kontrollieren, solange die Ergebnisse stimmten. Ich wiederum war angetrieben von dem Wunsch, ihm zu zeigen, dass ich aus meinen eigenen Firmen etwas Vernünftiges machen würde, was auch ganz gut gelungen ist. 1981 haben wir dann einen Merger durchgeführt und nach der Beratung durch einen Farbprofessor das zeitlose Corporate Design der Seifert Logistics Group eingeführt. Diese Farben stehen für Werte, die heute immer noch gelten: Anthrazit für ein solides Fundament, Rot für die Dynamik des Unternehmens, Blau für ein klares Konzept, Weiß für die Integrität des Handelns.


Und was steht als Nächstes an?

Wir wollen einer der Top-Logistiker in Deutschland bleiben, Top-Arbeitgeber werden und mit gutem unternehmerischen Gespür zusammen mit unseren Kunden weiter wachsen. Es hat sich für mich immer als richtig erwiesen, mit den Kunden mitzugehen – in neue Märkte, in neue Marktsegmente. Das war 1989 so, nach dem Fall der Mauer, als ich zwei Speditionen von der Treuhand kaufte, das war so, als wir unsere polnische Tochter gegründet haben, und das soll auch in Zukunft so sein. Ein Unternehmer unternimmt etwas, sonst wäre er ja ein Unterlasser, und ich bin wahnsinnig gern Unternehmer!

Herr Seifert, vielen Dank für das Gespräch!      


Seifert Logistics Group.

1947 startete Firmengründer Franz Xaver Seifert sein eigenes Speditionsunternehmen, 1977 stieg Sohn Harald in das fünf Mitarbeiter kleine Unternehmen ein. Heute erwirtschaften mehr als 1.600 Mitarbeiter der Seifert Logistics Group an 40 Standorten 145 Millionen Euro jährlich. Umsatzprognose für das aktuelle Jahr: plus 25 Prozent. Die Holding bietet europaweit Landverkehr mit 1.200 disponierten Lkw an. Treiber des aktuellen Wachstums – zuletzt konnte der Umsatz um 18 Prozent gesteigert werden – ist die Kontraktlogistik, die 470.000 Quadratmeter Lagerfläche nutzen kann und zu der aufwendige Just-in-time- und Just-in-sequence­Services gehören. Hinzu kommen bei Seifert Beratungs-, Tank- und Silodienstleistungen. Wichtigste Branchen für die Gruppe sind Automotive, Chemie, Baustoffe, Konsumgüter, Pharma und traditionell Papier, mit dem die Seiferts groß geworden sind. Noch heute transportiert das Unternehmen 1,9 Millionen Tonnen Papier pro Jahr. Zum besonderen Seifert-Spirit gehört auch der 24/7-Not­fall­service: die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit von Disposition und Management.


Fotos: Bernhard Huber

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