Reichhart Logistik transportiert besondere Fracht mit besonderen Lkw

Wirtschaft & Logistik

Fit für 4.0.

Reichhart Logistik sorgt bei RUAG in Gilching mit Actros Lang-Lkw für die reibungslose Lieferkette von Flugzeugteilen zu Airbus. Der Service reicht von der Verpackung bis hin zur IT-gestützten Taktung der Lieferungen mit eigener Software.


Diese Kulisse ist ein wahrer Jungentraum. Fein säuberlich stehen die Flugzeug-Heckspitzen in der lichten Halle nebeneinander aufgereiht, mit frischen Nieten in der noch grünlich grundierten Aluminiumhaut. Aber das in dieser Produktionshalle der RUAG Aerostructures in Gilching vor den Toren Münchens sind keine Modelle: Es sind Tailcones für den Airbus A320. Diese, dem A320-Bauplan entsprechend hier nur „Section 19.1“ genannt, werden in 36 Stunden im Airbus-Werk in Finkenwerder bei Hamburg erwartet.

Zwischen den Produktionslinien des Zulieferers RUAG und der Endmontage bei Airbus liegen 800 Kilometer, und der Nachschub darf nicht abreißen. „Im Flugzeugbau wird genauso just in time gefertigt wie in der Automobilindustrie. Es gibt eine abgestimmte Prozess- und Produktionskette, die Zeitfenster für die Anlieferung sind sehr eng getaktet. Und wenn Teile fehlen, dann wird das Band abgestellt. Das darf bei diesen hohen Produktionskosten nicht passieren“, sagt Georg Berberich, geschäftsführender Gesellschafter der Reichhart just in time GmbH, einer Tochter der Reichhart Logistik GmbH mit Sitz in Gilching. Der 38-Jährige kennt sich mit den Abläufen in der Flugzeugproduktion mindestens genauso gut aus wie die Mitarbeiter bei Airbus und RUAG. Muss er auch, denn Reichhart ist als Transport- und Kontraktlogistikpartner die Verbindung zwischen den weit entfernten Produktionsstandorten.


In Gilching arbeiten die Teams von Reichhart und RUAG Hand in Hand. In der langjährigen Partnerschaft ist eine perfekt ineinandergreifende Symbiose aus Hersteller und Transporteur entstanden. Reichhart übernimmt während der Produktion den innerbetrieblichen Transport der Flugzeugteile in die Lackiererei. Wenn die Montage der Sektionen abgeschlossen ist, werden sie vom Reichhart-Team übernommen, auf den eigens konstruierten Transportgestellen verzurrt und mit einer Scheuerschutzfolie verpackt.

Vor der Halle wartet bereits ein Actros 1848 Lang-Lkw auf die Fracht. Da Flugzeugbauteile leicht, aber groß sind, dienen zum Transport Tiefbettauflieger mit 3,70 Meter Ladehöhe. Wenn Komponenten wie die in Gilching produzierte Rumpfsektion 18/19 gefahren werden, geht das nur als Sondertransport mit 4,38 Meter Ladehöhe. Die Transportgestelle werden dann beim Beladen auf Befestigungspilze am Aufliegerboden gestellt und mit Sicherungsbolzen befestigt. Mit nur einem Stopp kommen die Reichhart-Sonder-Lkw bis kurz vor Hamburg, wo die Rumpfsegment in einem Zeitfenster von 22 bis 5 Uhr an die Airbus-Teams übergeben werden.


25 Meter lang sind die Lkw, mit denen Reichhart die verschiedenen Flugzeugelemente von München nach Hamburg transportiert.


„Wir bieten unseren Kunden innerbetriebliche Unterstützung, Verpackung, Versand, aber auch Steuerung von Kette und Transport. Also ein Gesamtpaket, das wir für sie immer weiter optimieren wollen“, so Berberich.

Eine dieser Optimierungen ist der Einsatz des Lang-Lkw: „Durchschnittlich fahren wir die Airbus-Tour zehn Mal pro Woche. Ohne die Lang-Lkw wären pro Woche noch fünf Fahrten mehr notwendig.“

Die Reichhart Logistik GmbH wurde 1967 gegründet und hat aktuell mehr als 900 Mitarbeiter. Mehrere Kompetenzcenter bieten ähnlich wie für die RUAG komplexe Kontraktlogistiklösungen an. „Für einen Zulieferer bringen wir Abgasanlagen zum Werk der BMW Group nach München. Da die montierten Anlagen auf den Lkw sehr viel Platz brauchen, transportieren wir zunächst die Einzelkomponenten zu einem unserer Standorte in München, wo wir sie mit Robotern zusammenschweißen und sequenziert in die BMW-Produktion einspeisen“, so Berberich. Oft erbringt Reichhart Dienstleistungen direkt in den Räumen der Auftraggeber.


Um die teils hochkomplexen Logistikketten zu steuern, gründete das Unternehmen mit der Reichhart digital logistics GmbH sogar ein eigenes IT-Tochterunternehmen, das seit 2014 kundenindividuelle Hard- und Softwarelösungen entlang der gesamten Supply Chain programmiert, optimiert und wartet. „Wir sind uns sicher, dass früher oder später nur noch entsprechende kontraktlogistische Dienstleistungen angeboten werden können, wenn man eine eigene IT-Kompetenz hat. Das wird bei einer Logistik 4.0 nicht mehr anders funktionieren“, sagt Berberich. Für das Logistikkonzept der Zukunft, bei dem Waren sowie die Logistikprozesse von Herstellern, Transporteuren und Kunden nahtlos digital vernetzt sind, sieht sich Reichhart daher gut aufgestellt.

Auch vor der Flottenstruktur macht die Optimierung bei Reichhart nicht halt. „Der größte Teil unserer 72 eigenen ziehenden Einheiten trägt den Stern und ist möglichst umfangreich ausgestattet. Neben allen verfügbaren Sicherheitssystemen setzen wir für die Verschleiß- und Verbrauchsminimierung sowohl auf Retarder als auch auf Reifendruckkontrolle“, sagt Berberich. Besonderes Augenmerk richtet das Unternehmen dabei auf die telematikgestützten Systeme Fleetboard und ­Predictive Powertrain Control.


Seit Beginn dieses Jahres ist zudem Mercedes-Benz Uptime im Einsatz, das die Fahrzeugnutzung weiter steigert, indem sich anbahnende Störungen mithilfe von Telematik frühzeitig erkannt werden und die Fuhrparksteuerung von Reichhart entsprechende Hinweise erhält. Gerade bei genehmigungspflichtigen Touren wie für die RUAG, bei denen man nicht einfach die Zugmaschine austauschen darf, ist das für die Zukunft ein entscheidender Vorteil. „Mercedes-Benz Uptime war für uns einfach der logische nächste Schritt der Fahrzeugdatennutzung.“

Die ersten Erfahrungen sind für Berberich überzeugend: „Bevor der Fahrer in einem Fall einen Schaden am Kühlerschlauch bemerken und melden konnte, war der Service vom Customer Assistance Center schon am Telefon: ,Beim Fahrzeug X haben wir das Problem Y festgestellt. Wir könnten ...‘ So lassen sich die Touren von RUAG zu Airbus noch stabiler gestalten.“


Fotos: Enno Kapitza

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